https://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/region/region/sonstige-Vorwuerfe-enttaeuschen-mich-sehr;art87698,3298811
(Kurzfassung online am 06.02.2015: http://www.stimme.de/regioticker/Minister-weist-Kritik-zurueck;art16233,3298713)
"Vorwürfe enttäuschen mich sehr"
Neckarwestheim. Im Stimme-Interview wehrt sich der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) gegen die Kritik von Bürgerinitiativen am Genehmigungsverfahren zum Rückbau von GKN I.
Seit Mitte Januar liegen die Genehmigungsunterlagen für den Rückbau von GKN I aus. Bürger können Einwände erheben, Defizite ansprechen. Im Gespräch mit unserem Redakteur Reto Bosch weist Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) Kritik von Bürgerinitiativen am Genehmigungsverfahren zurück.
Herr Untersteller, wie gewährleistet die Atomaufsicht, dass durch den Rückbau von Kernkraftwerken wie GKN I die Bevölkerung nicht gefährdet wird?
Franz Untersteller: Es gibt Genehmigungsverfahren, für die der Betreiber eine Vielzahl von Unterlagen vorlegen muss. Zum Beispiel Sicherheitsberichte oder Umweltverträglichkeitsstudien. Diese Dokumente werden von unabhängigen Gutachtern und der Atomaufsicht geprüft. Bürger können diese Unterlagen einsehen und Einsprüche formulieren. Bei einem Erörterungstermin nehmen die Behörden Stellung zu diesen Einwendungen. Am Ende dieses langen Prozesses steht die Genehmigung − und nur dann, wenn die Sicherheit voll gewährleistet ist.
In wie viele genehmigungsrechtliche Abschnitte soll die Demontage von GKN I unterteilt werden?
Untersteller: Das kann ich Ihnen nicht sagen. In Obrigheim sind es vier, es kann sein, dass es in Neckarwestheim weniger sind.
Eine Bürgerbeteiligung mit öffentlichem Erörterungstermin ist nur vor der ersten Genehmigung vorgesehen. Daran übt die Arbeitsgemeinschaft Atomerbe heftige Kritik. Warum gibt es nicht vor jeder Genehmigung eine derartige Beteiligung?
Untersteller: Ob es weitere Erörterungstermine gibt, hängt auch davon ab, ob es auf dem Weg des Rückbaus gravierende Änderungen des ursprünglichen Konzepts gibt. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die Bürger später erneut stärker einzubinden. Ich bin aber an die atomrechtliche Verfahrensverordnung des Bundes gebunden. Ich denke aber darüber nach, zusammen mit anderen Bundesländern einen Vorstoß zu unternehmen, um die Bürgerbeteiligung ausweiten zu können. Derzeit jedenfalls habe ich keine Wahl.
Aber Sie können ja auf anderen Wegen mehr Transparenz schaffen.
Untersteller: In keinem anderen Bundesland wird die Öffentlichkeit derart intensiv über das gesetzliche Maß hinaus eingebunden. Mit der EnBW haben wir eine Reihe von Vereinbarungen getroffen. Es gibt Informationstage, die EnBW verteilt eine allgemeinverständliche Informationsbroschüre an die Haushalte. Vorgesehen ist eine Dialogveranstaltung. Außerdem ist der Rückbau regelmäßig Thema in den Sitzungen der GKN-Infokommission. Auch in den kommenden Jahren haben die Mitglieder dieser Kommission, also auch die Bürgerinitiativen, immer wieder die Möglichkeit, Informationen einzufordern. Wir machen also weit mehr als der Gesetzgeber vorschreibt.
Trotzdem werfen Ihnen Kernkraftgegner vor, mit Tricks zu arbeiten.
Untersteller: Diese haltlosen, einfach mal so in den Raum gestellten Vorwürfe enttäuschen mich sehr. Mir wird ja auch vorgeworfen, ich würde nicht genug loben, dass die Bürgerinitiativen kritische Fragen stellen. Wir haben nichts zu verbergen, ich schöpfe alle Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung aus. Ich würde den Kritikern raten, sich ein bisschen mehr mit den Fakten zu beschäftigen.
Bei der Demontage von Atomkraftwerken entsteht unterschiedlich stark belasteter Müll. Wie ist gewährleistet, dass durch die Summierung von eigentlich gering belastetem Material keine Gesundheitsgefährdung entsteht?
Untersteller: Mittel oder schwach radioaktive Stoffe unterliegen weiterhin dem Regime des Atomgesetzes. Sie landen irgendwann in einem Endlager.
Gilt für den Endlagerstandort Schacht Konrad noch das Jahr 2022 als frühester Betriebsbeginn?
Untersteller: Das ist das, was mir die Bundesumweltministerin schriftlich mitgeteilt hat. Als Zweites reden wir über Stoffe, die anschließend vollständig wiederverwertet werden können. Drittens geht es um Material, das unter das Zehn-Mikrosievert-Konzept fällt, also aus dem Atomrecht heraus- und unter das Abfallrecht fällt und ebenfalls völlig ungefährlich ist.
Was heißt das genau?
Untersteller: Zehn Mikrosievert liegen in der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlung. Diese liegt bei 2200 bis 2300 Mikrosievert. Es ist also völlig vernachlässigbar, was auf die Deponie geht. Aus meiner Sicht betreiben manche Vertreter der Anti-AKW-Bewegung Panikmache, die ich nicht akzeptieren kann. Ich habe selbst 30 Jahre lang gegen die Atomkraft gekämpft. Man muss aber mit den Dingen offen und ehrlich umgehen. Sogar das Öko-Institut hat im Falle Obrigheims bescheinigt, dass der Umgang mit dem Material völlig in Ordnung ist.
Die EnBW gehört zum Teil dem Land. Wie unabhängig kann die Atomaufsicht da noch arbeiten? Sie kontrolliert sich ja dabei gewissermaßen selbst.
Untersteller: Die Atomaufsicht arbeitet sehr unabhängig, und zwar zu 100 Prozent. Ich bin nicht Mitglied des EnBW-Aufsichtsrats, aus gutem Grund.